Komplett neuer Ansatz nach Amokfahrt: Könnten wir Männern vielleicht helfen, statt sie zu hassen?

Bevor wir zu dem Beitrag kommen, auf den ich in der Überschrift dieses Blogbeitrags anspiele, einige andere aktuelle Hinweise in der heutigen Presseschau.



1. Frauenministerin Giffey (SPD) fordert mehr Notunterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt: Natürlich nur für die aus SPD-Sicht würdigen Opfer, also Frauen und Kinder.

Giffey forderte: "Wir brauchen ein Aktionsprogramm gegen Gewalt an Frauen und ihren Kindern." Der Bund wolle dazu gemeinsam mit Ländern und Kommunen ein Konzept erstellen. Das Thema solle zudem bei der Frauen- und Gleichstellungsministerkonferenz im Juni auf der Tagesordnung stehen und spiele auch bei den laufenden Haushaltsberatungen eine Rolle.


Aktuelles Verhältnis Frauenhäuser im Vergleich zu Männerhäusern in Deutschland: 400 zu 4.



2. Ein Auftritt der Rapper 187 Straßenbande an der Uni Paderborn soll auf Wunsch des Zentrums für Genderstudien verboten werden.



3. Der Sexismusbeauftragte beschäftigt sich in einem ausführlichen Artikel mit der Frage, warum nur Frauen Verantwortung verweigern dürfen, wenn es um gemeinsamen Nachwuchs geht.



4. Kentucky ist der erste US-Bundesstaat, bei dem das "Wechselmodell" (gleiche Betreuung des Nachwuchses nach Trennung der Eltern) durchgesetzt wurde.



5. Weibliche Verbrecher brauchen Hilfe und kein Gefängnis heißt es bei der BBC.



6. Im britischen Spectator erklärt Andy Shaw, mit welchen einfachen sieben Schritten Männer zu Feministen werden können.



7. In der "Welt" haben Holger Kreitling und Heike Vorwinkel einen Artikel veröffentlicht, der ursprünglich die Schlagzeile "Frauenhasser und radikale Männerrechtler in Deutschland" trug (jetzt noch an seiner URL und auf Websites wie Google News erkennbar), inzwischen aber zu "Hass auf Frauen und der Traum von einer Revolution" geändert wurde. Leider kann man ihn online nur in Verbindung mit einem (Probe-)Abo lesen. Wenn einer von euch über ein "Welt"-Abo verfügt, würde ich mich über die Zusendung des Textes freuen.



8. Kommen wir damit endlich zu der Überschrift der heutigen Presseschau. Inzwischen findet man nach der Amokfahrt Alek Minassians in Toronto die ersten Artikel, deren Autoren nicht lediglich die Hände darüber ringen, was für schlimme Frauenhasser viele "Incels" (Männer, die von Frauen lediglich Ablehnung erfahren) geworden seien. Über einen dieser Artikel werde ich morgen berichten, über einen anderen jetzt.

So titelt die kanadische National Post: "Was sollten wir mit den gefährlichen Incels tun? Vielleicht ihnen helfen". Die Verfasserin des Artikels, Marni Soupcoff, vertritt die für die allermeisten anderen Journalisten unvorstellbaren Ansatz, es könnte vielleicht falsch sein, Hass mit Hass zu begegnen. "Incels" in den Kopf zu hämmern, was für schreckliche Loser sie seien, dürfte kaum dazu beitragen, die nächste Gewalttat zu verhindern:

[Ein Posting auf Facebook] hat sich für die Polizei noch nicht als ausreichend erwiesen, um Rückschlüsse auf Minassians Motiv zu ziehen, und das zu Recht. Wir wissen nicht einmal sicher, ob Minassian es geschrieben hat. Aber es reichte daür aus, dass die Öffentlichkeit - oder zumindest ein Teil davon in den sozialen Medien - auf Minassian losging, weil er das begangen haben soll, was ein Großteil der Twitterversums als die schlimmste aller möglichen Sünden zu betrachten scheint: Frauen zu hassen.

Toronto-Aktivistin Kristyn Wong-Tam tweetete am Dienstag: "Der Hass und die Gewalt, die den gestrigen Angriff von Alek Minassian ausgelöst haben, lässt sich am besten als Frauenfeindlichkeit bezeichnen." Andere gaben der "giftigen Männlichkeit" und der Radikalisierung der Weißen die Schuld an Minassians mutmaßlichen Morden. Der linke Schriftsteller George Ciccariello-Maher sprach auf Twitter von "Massenmord durch einen frauenfeindlichen Männerrechtler". Diese Sätze gehören noch zu den nuancierteren Kommentaren. Es gibt viel mehr, die einfach nur betonen, wie hässlich, ekelhaft und erbärmlich Incels seien (das Wort "Verlierer" taucht immer wieder auf). Diese Bemerkungen sind nicht nur verfrüht, sondern auch kontraproduktiv.

Es ist klar, dass das, was Minassian getan haben soll, entsetzlich ist. Aber es ist schrecklich wegen des Schadens, den der Angriff so vielen Menschen und ihren Angehörigen zugefügt hat. (...) Der Angriff ist nicht mehr oder weniger schrecklich, wenn er auf dem Geschlecht der Opfer beruht. Und der Angreifer ist nicht mehr oder weniger schuldig, wenn die Entfremdung und/oder Wut, die ihn antreibt, aus einem subjektiven Gefühl der sexuellen Ablehnung, einem Hass auf Frauen oder, sagen wir, einer Besessenheit von der Klassenungleichheit der Gesellschaft herrührt.

Also, wenn Kommentatoren auf die Geschichte reagieren, indem sie schreien, dass alle Incels es verdienen zu sterben, oder sogar mit der weitaus subtileren Anklage, dass das, was passiert ist, uns etwas über Gender oder Frauenfeindlichkeit sagt, verfehlen sie den zentralen Aspekt. Es ist nicht so, dass Incels nicht frauenfeindlich oder gestört wären. Und der wichtige Punkt ist nicht, dass jemand, der zu einem zerstörerischen Amoklauf der Art, die am Montag stattfand, getrieben wird, offensichtlich abstoßend ist. Was uns diese Geschichte vor allem sagt, ist, dass der Grad der Wut und der sozialen Trennung so groß ist, dass sie uns auffordert, herauszufinden, wie wir diese Menschen erreichen und wieder in die normale Gesellschaft integrieren können, und ihnen zu helfen, bessere Wege zu finden, ihren Schmerz zu bekämpfen. Das wird nicht durch selbstgefällige Tweets über ihre Mutterkomplexe und ihre Abscheulichkeit unterstützt.

Wir haben Programme zur Deradikalisierung religiöser Extremisten. Im Falle von Incels (was der Van-Fahrer sein kann oder auch nicht), wird das Schreien darüber, was für schreckliche frauenhassende Verlierer sie sind (was sie sehr wohl sein können), keinen von ihnen daran hindern, wieder zu morden. Und sie aus den Reddit-Untergruppen zu verbannen, wird ihren Verfolgungskomplexen nicht helfen. Es wird sie nicht verschwinden lassen. Es wird sie nur weiter in den Schatten schicken.

Im Falle des Van-Fahrers, wenn sich die frühen Berichte, dass er soziale Schwierigkeiten ausgesprochen hat, als richtig erweisen - und wenn es nicht so war, dass er eine Art psychotischen Zusammenbruch erlitten hat, der ihn von der Realität losgelöst hat – dann haben wir es anscheinend, unabhängig von anderen Faktoren, mit einer Person zu tun, deren Isolation von anderen Menschen zu schmerzhaft und tiefgründig für ihn war, um damit umzugehen.

Das ist nicht abscheulich oder ekelhaft. Es ist traurig. Und gefährlich. Und etwas dagegen zu tun - genau wie etwas gegen Incels zu tun - wird von uns mehr verlangen als die einfache Verurteilung, die unsere erste Reaktion auf Menschen ist, die schreckliche Dinge tun oder sagen.

Ich gebe zu, dass ich mir nicht sicher bin, wie man menschliche Verbindungen anderen Menschen praktisch beibringen kann - besonders Erwachsenen, die so viele Jahre ohne die entsprechenden Erfahrungen, Kenntnisse oder Fähigkeiten gelebt haben. Und ich gebe zu, wenn ich eine enge persönliche Verbindung zu einem der Opfer des Angriffs vom Montag hätte, würde ich eine Kolumne wie diese nicht zu schätzen wissen, die mir rät, auf Menschen, die schreckliche Dinge getan haben, nicht einzuschlagen. Aber wenn das Ziel darin besteht, das Risiko ähnlichen Horrors zu verringern, dann muss die schwierige Arbeit, selbst den am wenigsten sympathischen, isolierten Menschen zu helfen, Respekt und Zugehörigkeit zu finden, höher auf unserer Tagesordnung stehen als Hass zu erzeugen - selbst gegenüber diejenigen, die hassen.


Es ist bedauerlich, dass viele, die sich über echten Frauenhass ebenso empören wie über Männer, die lediglich Gleichberechtigung fordern, selbst nur Hass in ihrem Arsenal haben.

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