Lesefrüchte aus Ernst Jüngers Werken (4)


Macron hätte es lesen sollen, bevor er sein zum Fremdschämen peinliches »Wir werden Notre-Dame in fünf Jahren noch schöner wieder aufbauen« hinausposaunte. Hätte aber vermutlich nichts gebracht, denn verstanden hätte er Jüngers Bemerkung ohnedies nicht (obwohl »Gärten und Straßen« schon während des Zweiten Weltkriegs in französischer Übersetzung vorlag ...).


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Kirchhorst, 30. April 1939

Die Dome als Fossilien, die in unsere Städte wie in späte Sedimente eingeschlossen sind. Doch liegt es uns sehr fern, von diesen Maßen auf die Lebensmacht zu schließen, die ihnen zugeordnet war und die sie bildete. Was in den bunten Schalen lebte und was sie schuf, das liegt uns ferner als die Ammoniten der Kreidezeit [...] Man kann auch sagen, daß die Menschen von heute diese Werke sehen, wie ein Tauber die Formen von Geigen und Trompeten sieht.

(Gärten und Straßen, S 44 – in: Ernst Jünger, Sämtliche Werke, 1. Abteilung, Bd. 2 »Strahlungen I«)


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Was dieser kleine Franzosen-Gockel da zum Wiederaufbau von Notre Dame von sich gab, erinnert irgendwie an Tucholskys bekanntes Bonmot: »Werfen Sie das häßliche Kind weg, gnädige Frau; ich mache Ihnen ein neues, ein viel schöneres.« Oder an Karl Kraus' galliges Diktum: »Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.«

Sogar Zwerge wie dieser Emmanuel M. — der freilich anders als ein anderer, ein verheißener Emmanuel (»... und sie werden ihm den Namen Emmanuel geben« Mt. 1,23) nicht einmal zum Mini-Messias der Fünften Republik taugt ...



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