Süddeutsche Zeitung: "Ist es radikal, Jungen beizubringen, nicht zu vergewaltigen?" - News vom 1. Februar 2020

1. "Ist es radikal, Jungen beizubringen, nicht zu vergewaltigen?" fragt die Feministin Teresa Bücker in der "Süddeutschen Zeitung". Die Frage tut so, als wäre Vergewaltigung bei Männern ein natürlicher Reflex, der uns erst durch Erziehung abtrainiert werden muss. Im Teaser des Artikels heißt es dementsprechend weiter:

Wir müssen einräumen, dass auch die eigenen Söhne zu Tätern werden können. Denn die beste Prävention gegen sexualisierte Gewalt ist es, Jungen dabei zu unterstützen sich frei von gefährlichen Männlichkeitsnormen zu entwickeln.


Ich zitiere mal eines meiner Kapitel in unserem wissenchaftlichen Sammelband "Gleichberechtigung beginnt zu zweit", um zu zeigen, wie die Forschungslage tatsächlich ausschaut (weiterführende Quellenangaben siehe dort):

Zunächst einmal wird die Bereitschaft von Männern, sexuelle Übergriffe zu begehen, durch aufhetzende Parolen wie "Rape Culture" massiv überschätzt. "Die modische Vorstellung, dass alle Männer irgendwie für eine Kultur der Vergewaltigung und Gewalt verantwortlich sind, wird nicht durch die Beweise gestützt", erklärt hierzu die Publizistin Claire Lehmann. "Verbrechen im Allgemeinen, einschließlich Verbrechen gegen Frauen, werden überwiegend von einer Minderheit der Bevölkerung begangen. In Schweden beispielsweise ergab eine Studie, die von 1975 bis 2004 mehr als zwei Millionen Menschen betrachtete, dass nur ein Prozent der Bevölkerung für 63,2 Prozent aller erfassten Verbrechen verantwortlich war - fast doppelt so viele wie die anderen 99 Prozent zusammen. Das ist ein winziger Prozentsatz der Bevölkerung, der für die große Mehrheit der Übergriffe verantwortlich ist."

Wenn man (…) Studenten nach ihrer Meinung über Themen im Zusammenhang mit Sexualität und Gewalt befragt, zeigen sich so gut wie keine Unterschiede zwischen den Meinungen von Männern und Frauen. Beide Geschlechter vertraten in einer entsprechenden Untersuchung dieselben moralischen Ansichten. Interessant war allein, dass die Frauen bei den Männern eine fragwürdigere Einstellung vermuteten. Sie dachten beispielsweise, dass Männer eher an die althergebrachten Geschlechterrollen glaubten, Gewalt in Beziehungen eher akzeptierten oder noch von solchen Dingen überzeugt waren, wie dass man eine Frau gar nicht gegen ihren Willen vergewaltigen könne. Dies alles war aber keineswegs der Fall.

Dass ein Vergewaltiger alles andere als der typische junge Mann von nebenan ist, weiß die psychoanalytische Forschung schon seit Jahren. Viele dieser Gewalttäter weisen eine emotionale und sexuelle Entwicklungsstagnation auf, die schon in der Kindheit entstanden ist - oft durch eine dominierende Mutter. Männer, die sexuelle Gewalttaten begehen, stammen in der Regel aus zerrütteten Familien, weisen zahlreiche andere Symptome psychischer Instabilität auf, sind schlecht in die Gemeinschaft integriert und zeigen generell antisoziale Tendenzen. All diese schwerwiegenden psychischen Störungen sind oft schon in der Kindheit angelegt.

(…) Drei unabhängig voneinander durchgeführte Studien über Vergewaltiger aus den Jahren 1979, 1984 und 1993 weisen sämtlich auf eine alarmierend hohe Rate von vorangegangenem sexuellen Missbrauch dieser Männer durch Frauen hin: einmal zu 59 Prozent, ein anderes Mal zu 66 Prozent, die neueste dieser Studien spricht sogar von 80 Prozent. (…)

"Es ist nicht so, dass schlechte Männer die Schuld von bösen Frauen sind", erklärt hierzu die Aggressionsforscherin Patricia Pearson, "aber ein Geschlecht vom anderen als tugendhaft oder tadelnswert abzugrenzen heißt, einer falschen Spur zu folgen, wenn es darum geht, die Gründe für Gewalt zu verstehen. Wenn ein Mann körperliche oder sexuelle Gewalt von seiner Mutter lernte, was nützt es uns, wenn wir die Schuld auf seine Männlichkeit schieben, ihn dazu erziehen, nicht sexistisch zu sein, oder 'Gewalt gegen Frauen' beklagen, so als ob Frauen nicht zu dieser Gewaltspirale beitragen würden?"


Also ja, man kann als Mutter verhindern, dass der eigene Sohn zum Sexualtäter wird. Dabei "Männlichkeit" zum Sündenbock zu machen führt allerdings in die Irre.



2.
Ab Mitte Februar gibt es in Nürnberg eine Schutzwohnung für Männer, die Opfer von häuslicher oder sexualisierter Gewalt geworden sind. Dieser Rückzugsort ist Teil einer Initiative des Bayerischen Sozialministeriums und der Caritas, um auch männlichen Opfern zu helfen, sagte Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) heute bei der Vorstellung in Nürnberg.

(…) "Mir ist wichtig, dass wir für alle da sind: Für Frauen, für Kinder und auch für Männer", sagte Schreyer. Derzeit fehlt es nämlich an mehreren Stellen: Sowohl an den Hilfsangeboten als auch an der Bereitschaft der Opfer, sich Hilfe zu holen. Auf der Angebotsseite gilt: Bisher gibt es bundesweit nur sehr wenige solcher Schutzwohnungen für Männer. Selbst mit dieser Initiative wird es zunächst nur zwei solcher Orte im ganzen Freistaat geben: den in Nürnberg und einen weiteren in Augsburg.


Vom Bayrischen Rundfunk erfährt man mehr.



3. Aufgrund von DNS-Spuren kommt jetzt ein Mann aus dem Gefängnis frei, nachdem er 25 Jahre wegen einer Vergewaltigung im Knast saß, die er nie begangen hat.



4. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir zu dem "Guardian"-Artikel über die wachsende Zahl alleinerziehender Väter :

Ich bin ebenfalls alleinerziehender Vater. Ich habe meine beiden Zwillinge aus erster Ehe - meine beiden älteren Söhne - nach dem Tode ihrer Mutter bei mir aufgenommen. Meine damalige Frau bemühte sich wohl, kam dann aber damit nicht klar und trennte sich von mir, nahm natürlich unsere beiden Kinder - meine Tochter und meinen jüngsten Sohn - mit. Ich fand mich plötzlich in der Situation wieder, mich allein um die beiden Zwillinge zu kümmern, die ich bis kurz vor dem Tode ihrer Mutter überhaupt nicht sehen durfte, und gleichzeitig waren die beiden Kinder, die ich von Anfang an mit großgezogen hatte, nicht mehr bei mir.

Als ich mit meinen Eltern die Situation besprach, sagte meine Mutter - ganz sicher ohne böse Hintergedanken - "das ist aber jetzt auch nicht leicht für sie" und meinte damit meine Ex-Frau.

Die Gesellschaft hat meines Erachtens gar kein Bewusstsein dafür, dass Männer ebenso mit schwierigen Situationen im Leben zu kämpfen haben. Nur im Gegensatz zu Frauen interessiert sich niemand dafür, man erwartet einfach, dass Männer damit klarkommen und fertig. Gleichzeitig kritisiert man aber Männer dafür, dass sich sich alleine durchkämpfen und wenn sie auch mal überfordert sind, leigt das wieder nur am eigenen, natürlich falschen, Selbstbild.

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