taz: "Alle männlichen Bäume sind Müll" – News vom 29. Juni 2020

1. Seit der Debatte um "Polizisten sind Müll" in der taz von vorletzter Woche, die eilfertig zur Satire erklärt wurde, weiß man endgültig nicht mehr, ob verunglückte taz-Artikel einfach nur verunglückte Artikel sind oder brillante Satire. Fragwürdig ist das zum Beispiel bei einem dieses Wochenende veröffentlichten taz-Beitrag mit der Schlagzeile "Botanischer Sexismus: #allmaletreesaretrash". Kernthese: In vielen Städten stünden vor allem männliche Bäume, was für alle ein Problem darstelle, die etwas gegen Sexismus haben.

Männlichkeit könne "toxisch" sein, heißt es in dem Artikel von Viktoria Morasch, vor allem "wenn sie kollektiv auftritt". Viele Menschen hätten das erkannt. "Aber was ist mit Bäumen?" Die hätten ihre eigenen Probleme und könnten sie auch gemeinsam lösen. Eines davon heiße Sexismus. Männliche Bäume produzierten zu viele Pollen, in denen noch dazu Schadstoffe gebunden seien. "Toxisch halt". Wie weibliche Bäume das Problem sähen sei unklar.

Ich hatte mich schon auf launige Beiträge in der Kommentarfunktion unter dem Artikel gefreut, wurde aber enttäuscht. Die Kommentarfunktion der taz "pausiert".



2. Das Satire-Problem in deutschen Leitmedien ist sogar noch komplizierter. So haben mich mehrere Leser auf einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung aufmerksam gemacht, dessen Verfasserin so über Männer schreibt, wie es im "Qualitätsjournalismus" gang und gäbe ist. Der Beitrag steht nicht online, wurde aber abfotografiert, und enthält die üblichen Versatzstücke des Männerbashings, gegen das die Bundeszentrale für politische Bildung noch niemals Einspruch erhoben hatte:

Trotzdem sind, um beim Thema zu bleiben, Männer schuld an allem. Am ganzen Elend der Welt. Sie verdienen mehr, werden nicht schwanger, können besser Fußball spielen. (...) Auch die Sache mit dem Klima haben Männer verbockt. Ihre dicken, schnellen Autos, dazu die riesigen T-Bones-Steaks – sie stoßen viel mehr CO2 aus als eine Frau mit Salat und Mini. Und ganz klar: Es sind auch die Männer, die am Rassismus schuld sind – wer steht denn auf den Sockeln, von denen jetzt die Statuen gestürzt werden müssen? Die Kolonialisierung wäre ohne Männer nicht passiert, die Gloablisierung auch nicht. So wenig wie Nazi-Deutschland.


In dieser Form zieht sich die sexistische Litanei, die ohnehin schon jeder zur Genüge kennt, noch einige Zeit weiter. Allerdings gibt es hier eine Pointe, auf die bei einer Twitter-Debatte über den Artikel der Blogger "Stefanolix" aufmerksam macht:

Die Autorin @Bweiguny ist eine Vernünftige, sie traut der Leserschaft ein Mitdenken und Weiterdenken zu. Ich lese die Kolumne als feine Ironie, wie die vielen anderen in den Jahren zuvor. Die Autorin fordert von uns ein Weiterdenken: Welche Einflussfaktoren gibt es auf Erfolg und Misserfolg großer Unternehmen – unabhängig von der Person an der Spitze? Welche Eigenschaften schreiben wir Frauen und Männern pauschal (voreilig) zu?


"Stefanolix" hat Recht: Bettina Weiguny ist eine kluge, integre und seriöse Journalistin und hat beispielsweise als eine von wenigen in dieser Branche in einem heute noch lesenswerten Artikel gründlich untersucht, wie eine ganze Männergeneration durch die Frauenquote am Arbeitsplatz diskriminiert wird. Das derart klar zu benennen ist selbst für die meisten ihrer männlichen Kollegen ein Tabu. Wenn man allerdings ihren aktuellen Artikel überfliegt, statt ihn konzentriert zu lesen, erscheint er einem nur als ein Lamento von unendlich vielen anderen.

"Irgendwann will man auch diese 'Ironie' nicht mehr", schreibt ein weiterer Leser des Artikels auf Twitter. "Zumindest kann ich das für mich behaupten. Es ist zuviel." Zu viel Hass, der tagtäglich über Männern ausgekübelt wird – oft von Menschen, die sich eben diesen Hass von denselben Männern über Steuergelder und TV-Gebühren fürstlich entlohnen lassen. "Ich hau ihnen die Fresse blutig, und die müssen mich noch dafür bezahlen" dürften zahllose Ideologinnen innerlich jubeln. Und wenn einer dieser Männer das nicht mehr erträgt und durchknallt, ist das nur ein weiterer "Beweis" dafür, wie minderwertig Männer sind.

Vielleicht liegt hier das Problem mit dem aktuellen Weiguny-Artikel. Eine Satire, die sofort als Satire erkennbar ist, wird immer schwerer möglich, wenn schon die parodierten Texte so unsäglich, so daneben sind, dass man sie kaum noch toppen kann. "Zwei Dinge hasse ich an unserer Gesellschaft: Sexismus und Männer!" ist seit Jahr und Tag die Botschaft vieler Feministinnen, und die Bundeszentrale für politische Bildung meint daraufhin, Männerrechtlern Frauenhass unterstellen zu müssen. Das alles liest sich wie ein MAD-Magazin, ist aber Wirklichkeit. Wie soll man das zu einer Satire überspitzen, die beim Leser funktioniert?



3. Johnny Depp fliegt aus der Kinoreihe "Fluch der Karibik" raus. Die von ihm verkörperte Figur des Captain Jack Sparrow soll durch mehrere weibliche Hauptfiguren ersetzt werden. Dazu heißt es auf kino.de:

Johnny Depp wurde durch seine Ehe mit Ex-Frau Amber Heard ("Aquaman") in ein schlechtes Licht gerückt. Das könnte ebenfalls einer der Gründe sein, weswegen sich Disney von dem Schauspieler distanzieren will.


In den letzten Monaten waren Audio-Mitschnitte öffentlich geworden, die belegen, dass Ambert Heart gegen Johnny Depp mehrfach gewalttätig geworden war. Trotz einer von über 440.000 Menschen unterschriebenen Petition ist Heard jedoch offenbar weiterhin als Star im nächsten "Aquaman"-Film vorgesehen.



4. Die Pretenders-Frontfrau Chrissie Hynde hat sich einer These angeschlossen, für die hierzulande vor allem Birgit Kelle bekannt geworden ist:

Die Pretenders-Sängerin hielt sich in einem aktuellen Interview nicht zurück und erklärte, dass eine Frau, die "wie eine Sexarbeiterin herumläuft, wahrscheinlich auch wie eine behandelt wird".

In einem Interview mit dem Sydney Morning Herald sagte die Musikerin: "Wie Sie sich kleiden und wie Sie sich der Welt präsentieren, hängt ganz davon ab, wie die Menschen Sie behandeln werden. All diese sogenannten Feministinnen, die sich beschweren, weil die Leute sie wie Nutten behandeln? Nun, zieht euch was an!

Wenn ihr wie eine Sexarbeiterin ausseht, werdet ihr wahrscheinlich wie eine behandelt, und wenn ihr in der Uniform einer Krankenschwester herumlauft, werden die Leute euch anrufen, wenn sie krank sind. Und wenn ihr wie ich als Roadie gekleidet herumlauft, werden die Leute euch verdammt noch mal in Ruhe lassen."




5. Im britischen Newcastle wurde ein Stadtratsmitglied wegen eines unbotmäßigen Tweets rausgeworfen:

Ein prominenter Stadtrat von Newcastle wurde von seiner Partei wegen eines "krassen und lächerlichen" Tweets suspendiert, mit dem er einen hohen Frauenanteil in der Newcastle-Politik kritisierte.

Der liberaldemokratische Oppositionsrat Greg Stone twitterte am Mittwoch: "Das Ratskabinett von Newcastle: 70% Frauen. Abgeordnete in Newcastle: 67% Frauen. Zeit für eine Kampagne zur Unterstützung eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses?"

(...) Als Antwort auf die Kritik einer Stadträtin aus Islington, Sheila Chapman, twitterte der Bezirksvertreter dann: "Ich frage nur. Vermutlich findet die (Un-)Gleichberechtigung der Repräsentation in beide Richtungen statt."

(...) Joyce McCarty, die stellvertretende Labour-Vorsitzende des Rates, sagte: "Es ist erschreckend, dass im Jahr 2020 solche sexistischen Äußerungen gemacht werden können. Als Frauen kämpfen wir seit Jahren für Gleichberechtigung, und wir sind weit davon entfernt, in der Welt gleichberechtigt behandelt zu werden, so dass es schrecklich ist, wenn ein Politiker derart krasse und lächerliche Kommentare abgibt. Er muss sorgfältig nachdenken, bevor er spricht, und ich bin froh, dass die Lib Dems mit dieser Aktion reagiert haben".


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