Anatoli Alexandrow

von LePenseur
 
 
... dessen Todestag sich heuer zum vierzigsten Mal jährte, und zwar am 16. April, ist ein bemerkens-werter Komponist Rußlands, über dessen Schaffen es (leider ohne Untertitel) aus dem Jahr 1975 einen erkennbar einfühlsamen Dokumentarfilm gibt, den ich zunächst bei Minute 20:02 starten möchte, denn da beginnt der 1. Satz aus seinem Streichquartett No. 4 in C-dur, op. 80, gespielt von vier jungen Damen, die beweisen, daß Musik einfach — Leidenschaft sein kann:
 
Mir fällt in der Tat keine bessere Einstimmung auf diesen leider fast völlig in Vergessenheit geratenen Komponisten, der mit seinem Geburtsjahr 1888 weit in die großen Traditionslinien russischer Musik zurückreicht und hochbetagt erst 1982 verstorben ist.
 
In den 1920er-Jahren war er vor allem durch seine an Alexander Skriabin geschulte, feinnervige und bis an die Grenzen der Tonalität gehende Klaviermusik ein Begriff. Dem Klavier blieb er allerdings sein Leben lang treu: allein 14 Klaviersonaten (von 1914 bis 1971) sind die beeindruckende Ernte eines inspirierten und inspirierenden Lebens. In der Dokumentation erlebt man ab min. 32:34 den greisen, damals 87-jährigen Komponisten bei der Interpretation eines seiner Werke.

Was da erklingt, ist eine Musik von großer Zeitlosigkeit, dennoch zugleich wie »aus der Zeit gefallen«, wenn man die damals »zeitgenössischen« seriellen und elektroakustischen Experimente, welche in den 50er- und 60er-Jahre die Musik so unattraktiv und mühsam anzuhören (bessergesagt: nicht anzuhören!) machten. Alexandrow verschloß sich diesen Experimenten; die von Wikipedia angestellte Vermutung, dies sei Folge der stalinistischen Kulturpolitik, wird wohl zu kurz greifen. Alexandrow beschäftigte sich (wie viele andere Komponisten jener Jahre, und nicht bloß in Rußland) mit dem reichen Schatz an Volksmusik, aus deren Quellen er immer wieder zu schöpfen verstand.

Späte und für einen damals 77-jährigen fast überraschende Frucht seines kompositorischen Schaffens ist  seine Symphonie No. 1 in C-dur, op. 90 (1965), die hier in der Interpretation von Eugen Swetlanow durch »sein« Staatliches Symphonieorchester der UdSSR erklingt: 


Seine Symphonie No. 2 in B-dur, op. 109 (1977/78), eine seiner letzten Kompositionen, konnte ich leider auf Youtube nicht finden, dafür aber seine 1974 entstandene Konzert-Symphonie für Klavier und Orchester in b-moll, op. 104 (deren Beginn übrigens die obige Dokumentation einleitet, dort vom Komponisten und dem Pianisten dieser Einspielung, Viktor Bunin, auf zwei Klavieren gespielt) — ein Werk von eindringlich-düsterer Wucht und emotionaler Expressivität:
 

Nein, Alexandrow war sicher kein »Neuerer« — aber kommt es bei guter, tiefempfundener Musik darauf wirklich an, ob sie ihre insignia contemporalia sichtbar vorweisen kann ...?
 
Alexandrows letztes vollendetes Werk ist jedenfalls ein wunderbarer Schluß dieses kleinen Gedenk-Artikels — seine Sonate für Violoncello und Klavier in G-dur, op. 112, die er im Jahr vor seinem Tod komponierte. Ein Werk voll tiefer Ausdruckskraft und verschwenderisch blühender Melodik, hier einfühlsam interpretiert von Wladimir Tonkha:




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