Zum heutigen Nationalfeiertag ein paar Gedanken

... über die Schönheit der Verfassung
von Deliberator  Austriacus 
 
 
Haben wir nicht die preisenden Worte des Bundespräsidenten über die Schönheit der Verfassung im Ohr? Ganz ergriffen waren wir, daß Österreichs Staatsoberhaupt solch bewegte Worte fand ...
 
Worte, wohlgemerkt! Die Taten sahen und sehen anders aus. So ließ es der Bundespräsident zu, dass das Justizministerium einen Online-Journalisten fast in den Ruin trieb, indem es ihn durch zwei Instanzen mit der Anklage übler Nachrede verfolgte und letztlich in beiden Instanzen verlor. Zum Obsiegen des Journalisten kann man bei Unser Mitteleuropa einen ebenso informativen wie Besorgnis erregenden Artikel lesen. Denn der Katalog der Grundrechte gehört ebenfalls zur Verfassung, und darin kommt der Meinungsfreiheit ein besonders hoher Stellenwert zu!

Und das Verhalten des Bundespräsidenten nach der Nationalratswahl war nicht weniger befremdend! Statt wie in einer normalen Demokratie den Obmann der stimmenstärksten Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen (wobei naturgemäß dabei immer offen bleiben muss, ob sie ihm gelingen wird oder nicht!), hat er zu "Gesprächen" eingeladen, die im Endeffekt wohl nur verschleiern sollten, dass er den Willen der Wähler nicht zur Kenntnis nehmen will, sondern eine Regierung nach seinem Gusto bevorzugt.

Nun, welcher Parteichef täte dies denn nicht! Allerdings ist der Bundespräsident kein Parteichef, sondern das Staatsoberhaupt aller Österreicher ... oder sollte dies wenigstens sein! Wer bloße Scheinkonsultationen betreibt, bis die Kungelei über die Rückziehung der Klage gegen eine (verfassungswidrig im Alleingang agierende und das Koalitionsübereinkommen brechende) ehemalige Parteigenossin des Bundespräsidenten in trockenen Tüchern ist, wird den vollmundigen Anspruch, über den Parteien zu stehen, nur schwerlich glaubhaft machen können!

Karl Kraus schrieb einmal über den Unterschied zwischen Österreich und Preußen: Preußen: Freizügigkeit mit Maulkorb. Österreich: Isolierzelle, in der man schreien darf. Österreich hat nicht zuletzt unter diesem Bundespräsidenten, der deutlich öfter als seine Vorgänger etwaige Kritiker strafrechtlich verfolgen ließ, von Preußen den Maulkorb längst anzulegen gelernt. Ohne in seiner Politik den nur allzu oft zu Tage tretenden Irrenhaus-Charakter abzulegen. Was die Sache allerdings nicht besser macht.

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