Sind die Kritiker von Richterin Hahn in Wahrheit Opfer feministischer Narrative?

 von Franz Lechner

Das Thema um die strafrechtliche Würdigung dieser natürlich höchst abstoßenden Vorgänge ist nicht ganz so einfach, wie es manchem hier scheinen will.

Vorauszuschicken ist, dass die bislang gängige Spruchpraxis der Gerichte zum Thema Vergewaltigung auf unerträgliche Weise von feministischem Narrativ bzw gar Gesinnungsterror bestimmt war. Auf diese Weise wurde das zentrale Tatbestandselement der Anwendung von Gewalt, Drohung bzw Freiheitsentzug praktisch eliminiert. Ein anfängliches Nein einer Frau hat unumstößlich ein Nein zu bleiben, Überredung, Verführung, Überrumpelung, Bedrängen verwirklicht im Falle des Erfolges bereits das Tatbild der Vergewaltigung. 

Sind wir wirklich damit einverstanden? 

Beginnen wir mit einem Extrembeispiel, das sich so tatsächlich ereignet hat:

Kleine Provinzstadt, Morgen des Neujahrstages. Ein Vater holt seine 15 jährige, noch jungfräuliche Tochter von einer durchgefeierten Nacht vom Veranstaltungsort ab, um sie nach Hause zu fahren. Unterwegs wünscht das Mädchen zu halten, um in einem allseits bekannten Stadtcafé auf die Toilette zu gehen. Die Toiletten befinden sich unmittelbar neben den einigermaßen frequentierten Gasträumen, die Verbindungstür zum Gang, auf dem sie sich befinden, ist geöffnet. Das ausnehmend hübsche Mädchen geht durch die Gasträume, in denen sich auch der Täter, gleichfalls jugendlich, aufhält. Der Bursch geht ihr nach, und beobachtet, wie sie auf die Toilette geht. Er klettert über die Tür des Verschlags und vergeht sich am Mädchen sowohl vaginal als auch anal. Das Mädchen ist paralysiert und lässt alles geschehen, es braucht dazu keinerlei Gewaltanwendung oder Drohung. Das einzige, was  der Täter von sich gegeben hat, lässt sich etwa mit: „Tu was ich dir sag, dir wird nix passieren“ be- bzw. umschreiben.  Jeglicher Hilferuf unterbleibt, ein solcher wäre von etlichen Gästen gehört worden.

Der Täter hat dem Opfer dabei nicht den Mund zugehalten. Erst zu Hause fasst sich das Mädchen und erzählt alles ihrem Vater. Der geht mit ihr sofort zur Polizei, wo ein Freund von ihm Dienst versieht. Dieser hat angesichts des äußerst unwahrscheinlichen Tatherganges angesichts der unterbliebenen Reaktion des Opfers schwere Zweifel an der Geschichte, die er auch artikuliert. Der Vater ist daher unzufrieden und scheidet eher in Unfrieden. Der Beamte überlegt ein bisschen, ehe er den ihm bekannten Täter aufsucht (auf den er instinktiv getippt hat), einvernimmt (der ist geständig und gibt vor, die Polizei sogar erwartet zu haben) und überführt. Der Täter wird wegen Vergewaltigung verurteilt, kein Mensch stellt sich die Frage nach Tatbestandserfüllung (es gäbe auch den für diesen Fall m.E. ganz bequem erfüllte Tatbestände, z.B. § 202 StGB – Nötigung zum Beischlaf, ev. auch § 205a, aber … ) Kleines bizarres Detail am Rande: Dennoch bekommt der Beamte eine Anklage wegen Amtsmissbrauchs (weil er dem Mädchen die Geschichte zunächst nicht geglaubt hat). Das ist Österreich…

Dieser Sachverhalt ist recht problematisch. Feststeht, dass das Opfer den Geschlechtsverkehr eindeutig nicht gewollt hat, und dass der Täter eine Art Schockzustand ausgenützt hat. Dennoch ist der Tatbestand des § 201 m.E. nicht erfüllt, was man ev. gerade noch anders sehen kann. Die Schilderung dieses Falles diente nur als Einleitung, um das grundsätzliche Problem zu skizzieren. Von unserer Justiz wurden und werden aber auch ganz andere Fälle wegen Vergewaltigung verurteilt, zum Beispiel:

Laufendes Scheidungsverfahren. Die Frau schickt dem Mann ein SMS mit dem Inhalt: „Was ich dir nicht verzeihen kann, ist, dass du mich vor 2 Jahren einmal… (rektal penetriert) hast.“ Der Mann schreibt zurück: „Aber Schatzi, darüber haben wir doch schon genug gesprochen…“

Generell ist es bei der Abwicklung von längeren Beziehungen beliebt geworden, den Mann wiederholter Vergewaltigung zu bezichtigen, weil im Laufe der Zeit die Frau nicht immer, d.h. nicht alles „gewollt habe“, was auch regelmäßig zu schweren Freiheitsstrafen führt (wiederholte, langjährige Tatbegehung). Richtig absurd wird es in Fragen des Oralsex. Das „Opfer“ sagt angeblich zwar nein, das Glied wird dennoch eingeführt, und es kommt zum Vollzug. Das soll eine Vergewaltigung gewesen sein, ohne dass von Drohung oder Freiheitsberaubung die Rede gewesen wäre. Die Frau hatte eigentlich nicht gewollt, das war alles, nach mehr wird regelmäßig nicht gefragt. Kein Richter, der solche Schuldsprüche fällt, konnte mir erklären, wie ein solcher Geschlechtsakt ohne Willen und Mitwirkung der Frau zustande gekommen sein sollte. Angesichts der Kraft des Kaumuskels würde sich ein wider Willen eindringender Mann in enorme Gefahr begeben, was seiner Libido an und für sich höchst abträglich sein müsste. 1945 spuckten tschechische Passanten Prager Deutschen organisiert in die Mundhöhlen. Damit das möglich sein konnte, hatte man den Deutschen Keile zwischen die Zähne getrieben, d.h. sie hatten die Wahl, sich die Zähne zertrümmern zu lassen, oder den Mund denn doch „freiwillig“ zu öffnen. Nur unter solchen Bedingungen ist mittels Gewalt erzwungener Oralsex möglich. Noch einmal: In all den hier diskutierten Fällen ist von Drohung oder Erpressung keine Rede, schon gar nicht davon, dass das Opfer sich dazu bereit erklärt hatte, um Schlimmeres, z.B. vaginale Penetrierung, zu verhindern. Das Opfer hatte bis dahin unzweifelhaft alles freiwillig gemacht, ist dem Täter in dessen Wohnung oder sonst an einem verschwiegenen Platz gefolgt, ja, stand mit diesem sogar mitunter in sexueller Beziehung. 

Letztlich erscheint eine solche Spruchpraxis als Verhöhnung wirklicher Vergewaltigungsopfer. Die ihr zugrundeliegende Männerfeindlichkeit erscheint bereits pathologisch.

So, und nun zum vorliegenden Fall. Bevor ihr mich steinigt: Klar, dieser liegt anders. Hier haben wir ein offenbar traumatisiertes oder ein sonst-irgendwie höchst gestörtes Kind vor uns, was eine grundsätzlich ungleich niedrigere Gewaltschwelle voraussetzt. Aber auch hier muss einfach gesagt werden, dass es auch andere, u.U. geeignetere Tatbestände von §§202  über 205, 205a bis zum klassischen 206 gibt. Wurden bzw. werden diese dem Beschuldigten nicht wenigstens eventualiter zur Last gelegt?  Eingeräumt wird, dass, so vernünftig etliche Argumentationen der hier gescholtenen Richterin an und für sich klingen, gerade in einem solchen Fall offenbar organisierter sexueller Kriminalität gegenüber Kindern, ein so plötzlich Aufweichen der bisherigen (an sich unerträglich) harten Linie äußerst problematisch erscheinen muss, umso mehr, als Befürchtungen einer Bevorzugung krimineller Migranten befeuert werden. All das sei nicht in Abrede gestellt. Aber es bleibt dabei: Mit dem Vergewaltigungsvorwurf wird aus offensichtlich feministischer Gesinnung heraus gewaltig Schindluder getrieben, was sich am deutlichsten, d.h. letztlich absurdesten im Zusammenhang mit oralen Praktiken offenbart.

Und wer sich über dieses jüngste - nur angesichts der gängigen Spruchpraxis mehr als merkwürdige - Urteil echauffiert, möge überlegen, inwieweit er erzfeministische Gedankengänge bereits verinnerlicht hat.


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